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Tollkirsche, Schwarze Tollkirsche, Belladonna, Atropa

Tollkirsche (Belladonna) – Bestimmung, Verwendung und Kultur

8 Minuten Lesezeit

Man sollte sich von dem Namen der Tollkirsche (Atropa) nicht in die Irre führen lassen. Die „Kirschen“ dieser Pflanze sind nämlich alles andere als zum Verzehr geeignet. Daran ändern selbst solch verlockende Artennamen wie die der als Schwarze Tollkirsche bekannten Belladonna (Atropa bella-donna) nichts, auch wenn die Pflanze im Altertum als Heilkraut galt.

Steckbrief zur Tollkirsche

Leaf Divider

  • Wissenschaftlicher Name: Atropa bella-donna
  • Herkunft: Afrika, Asien, Europa
  • Wuchshöhe: 50 cm bis 2 m
  • Blütezeit: Juni bis August
  • Blüten: purpur-braune bis violette Glockenblüten
  • Blätter: ovale, ganzrandige, leicht gewellte Blätter
  • Frucht: schwarze, seltener gelbe Beeren
  • Boden: nährstoffreich, feucht, gut durchlässig
  • Winterhärte: bis -18 °C winterhart
  • Verwendung: Zierpflanze, alte Heilpflanze
  • Giftigkeit: sehr giftig

 

Besonderheiten der Atropa

Arten der Gattung Atropa gehören zur Königsfamilie aller Giftpflanzen, der Familie der Nachtschattengewächse. Zu ihren direkten Verwandten gehören solch toxische Legenden wie der Nachtschatten, die Giftbeere oder die Alraune, mit denen sich Atropa nicht nur einen äußerst hohen Giftgehalt und ein mystisches Pflanzenprofil, sondern auch so manche Eigenschaften im Erscheinungsbild teilt.

 

Herkunft

Die Gattung Atropa umfasst lediglich 5 bis 12 Arten, wobei Belladonna die am weitesten verbreitete Art ist. Mit einer Winterhärte von bis zu -18 °C übersteht sie selbst die eisigen Winter des Nordens. Gleichzeitig zeigt sich die Schwarze Tollkirsche aber auch recht widerstandsfähig gegenüber Hitze und Trockenheit.

Das Verbreitungsgebiet der Atropa reicht von Skandinavien über Kleinasien bis nach Nordafrika, womit sie bestens an die unterschiedlichsten Klimazonen angepasst ist. Besonders gut gedeiht sie jedoch in gemäßigten Klimazonen, wo vor allem Waldränder und lichte Laubwälder zu ihren wichtigsten Naturstandorten gehören. Aus diesem Grund ist die Schwarze Tollkirsche auch als Waldnachtschatten bekannt.

 

Aussehen und Wuchs

Arten der Atropa sind mehrjährige Stauden, die eine beeindruckende Wuchshöhe von 50 cm bis 2 m erreichen können. Sie wachsen aufrecht und buschig und zeichnen sich durch ihre großen, oval-lanzettlichen Blätter aus, die eine glatte bis leicht gewellte Oberfläche besitzen.

Die Blätter sind dunkelgrün und können eine Länge von 10 bis 20 cm erreichen. Sie sind paarweise oder wechselständig entlang des Stängels angeordnet, was der Pflanze ein dichtes, buschiges Erscheinungsbild verleiht.

Die Blüten der Tollkirsche erscheinen im Sommer und sind glockenförmig, meist in einem purpur-braunen bis violetten Farbton gefärbt. Sie hängen einzeln von den Blattachseln herab und erreichen eine Größe von etwa 2 bis 3 cm.

Nach der Blütezeit bilden sich die Früchte, die aus glänzenden, schwarzen, manchmal auch gelben Beeren bestehen. Diese Beeren sind kugel- bis kirschförmig, etwa 1 bis 1,5 cm groß und äußerst giftig.

 

Tollkirsche, Schwarze Tollkirsche, Belladonna, Atropa
Blüte der Belladonna

Die Giftpflanze einer Göttin

Der Gattungsname der Atropa ehrt die griechische Schicksalsgöttin Atropos. Die älteste der Moiren stand auch bei der Namensgebung des Totenkopfschwärmers (Acherontia atropos) Pate, einem afrikanischen Schmetterling, dessen schwarz-gelbe Flügel das Muster eines Totenkopfes ziert.

Atropos Aufgabe war es laut Legende, den Lebensfaden der Menschen zu durchtrennen, wenn ihre Zeit gekommen war. Während ihre Schwester Lachesis ein Losstäbchen und ihre Schwester Klotho die Spindel trägt, mit der die Schicksalsfäden gewoben werden, gelten Herrscherzepter, Schriftrolle und Sonnenuhr als die Attribute der Atropos.

Symbolisch referieren diese Attribute auf die uneingeschränkte Macht des Schicksals, das als Richtspruch und Todesverfügung jeden Menschen zu gegebenem Zeitpunkt ereilt, wenn seine Stunde geschlagen hat.

Auch die Belladonna vermag es, mit ihrem Gift den Lebensfaden zu durchtrennen. In Anbetracht der Tatsache, dass Atropa bella-donna früher auch als Heilpflanze diente, war ihre Anwendung ein tückisches Spiel mit dem Schicksal. Aus diesem Grund gilt sie als der Atropos geweihte Giftpflanze.

 

Die giftige Schönheit der Belladonna

Ihr Schicksal forderten bei der Nutzung der Belladonna auch Frauen häufig heraus. Der giftige Saft der Pflanze hatte nämlich eine die Pupillen erweiternde Wirkung. Große Pupillen waren und sind in vielen Kulturen ein besonderes Schönheitsideal, daher träufelten insbesondere junge Damen früher gerne Belladonna-Extrakt in ihre Augen.

Die volkstümliche Bezeichnung der Schwarzen Tollkirsche erklärt sich somit von selbst. Darüber hinaus lieferten die Namenspatronin und ihre Schwestern auch so manche Vorlage für düstere Märchen, in denen schöne Frauen vorkamen.

 

Von schlafenden Schönheiten und dunklen Feen

Die Geschichte des griechischen Königssohns Meleagros, in der die Moiren an seiner Wiege erscheinen, wird häufig mit dem Grimms Märchen Dornröschen assoziiert. Es basiert auf dem französischen Originalmärchen „La Belle au Bois dormant“ (Die schlafende Schönheit) und erzählt die Geschichte einer Königstochter, die an ihrer Wiege von mehreren Feen besucht wurde.

Die Anzahl der Feen variiert je nach Autor. Mal sind es drei, mal sieben, mal zwölf. Doch in jeder Fassung tritt eine Fee, die vergessen und deshalb nicht eingeladen wurde, als schicksalhafte dunkle Fee auf.

Während die übrigen Feen dem Kind mit guten Wünschen Glück und Schönheit zusprechen, verflucht die Missachtete das Mädchen dazu, am Stich einer Spindel zu sterben. Nur der letzte, aufgesparte Wunsch einer jungen Fee vermag es, dieses Todesurteil in einen hundertjährigen Schlaf abzumildern.

In der griechischen Mythologie singen die Moiren Klotho und Lachesis an Meleagros Wiege Edelmut und Tapferkeit in sein Schicksal. Nur Atropos wirft einen düsteren Blick in die Zukunft des Knaben und weissagt, dass das Kind nur so lange leben würde, bis der Holzscheit im Feuer des Zimmers verbrannt sei.

 

Tollkirsche, Schwarze Tollkirsche, Belladonna, Atropa
Ihren schicksalhaften Zauber sieht man der dunklen Fee unter den Giftpflanzen deutlich an.

Belladonna als Heil- und Zauberpflanze

So sagenumwoben die Belladonna ist, erscheint es nicht abwegig, dass sie als eine legendäre Zauberpflanze selbst Artverwandten wie der Alraune Konkurrenz macht.

 

Liebesmagie, Aphrodisiaka und vampirisches Charisma

Für die Anwendung von Belladonna zu magischen Zwecken gab es bisweilen recht strikte Vorgaben. Aus der slawischen Liebesmagie ist eine Zeremonie überliefert, bei der die Wurzel der Pflanze ausgegraben und an ihrer statt Opfergaben in die Erde gelegt wurden, um den Geist der Belladonna wohlwollend zu stimmen. Durch dieses Ritual sollte man die Zuneigung eines Mädchens wecken können.

Gleichwohl wurde Extrakten der Belladonna-Wurzel eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Die im Altertum als Tollwut bezeichneten Erregungszustände verliehen der Tollkirsche ihren deutschen Namen. Die generelle Anziehungskraft auf Mitmenschen wurde gemäß rumänischem Aberglauben weiterhin durch Amulette der Belladonna-Wurzel verstärkt.

Nicht nur, dass die Tollkirsche aus diesem Grund in Rumänien bis heute als Sitz der Hausgeister gilt, leiten sich von dieser magischen Anziehungskraft auch verführerische Eigenheiten von Fabelwesen wie dem Vampir ab, der unzertrennlich mit der rumänischen Mythologie verbunden ist.

 

Hexenflug und Trancezustände

Laut Überlieferung soll Belladonne neben Alraune, Stechapfel und Bilsenkraut eine der Kardinalzutaten für sogenannte Flugsalben gewesen sein. Die Hexensalben verliehen Hexen angeblich die Fähigkeit, auf dem Besen durch die Lüfte zu reiten.

Der Besen dürfte jedoch eher symbolisch für die eigene Wahrnehmung gestanden haben, was aus dem vermeintlichen Hexenflug einen tranceartigen Zustand macht.

Tatsächlich besitzt Belladonna halluzinogene Wirkung. Dadurch kann es nicht nur zu äußerst realen luziden Träumen, sondern auch zu Wahnvorstellungen kommen. Der genaue Effekt ist hierbei abhängig von der eingenommenen Dosis. Abermals ein heikles Unterfangen, wenn man die Risiken einer tödlichen Vergiftung bedenkt.

 

Heil- und Schutzwirkung

Glaubt man alten Sagen, wuchs Belladonna auf ehemaligen Schlachtfeldern. Eine Eigenart, die jener der Alraune ähnelt, welche unter dem Galgen zu Füßen gehängter Verurteilter erwachsen soll. Um sich vor Verwundung zu schützen, grub man die Atropa auf dem Schlachtfeld aus und führte sie beim Kampf mit sich.

In der Heilkunde ist die Tollkirsche vor allem aus der osteuropäischen Volksmedizin bekannt. Mit ihren Extrakten wurden im Mittelalter Lähmungen, Magen-Darm-Beschwerden, Harnwegserkrankungen und Schmerzsymptome behandelt.

Noch heute findet Belladonna-Wurzel Verwendung bei der Herstellung von Medikamenten gegen Parkinson. Auch homöopathische Mittel wie Belladonna Globuli sind gebräuchlich.

Jedoch wiesen schon im Mittelalter zahlreiche Heilkundige, darunter Hildegard von Bingen und Hieronymus Bock, auf die „zerrüttende Wirkung“ der Pflanze auf den menschlichen Geist sowie ernste Vergiftungsfälle hin.

 

Tollkirsche, Schwarze Tollkirsche, Belladonna, Atropa
Trotz lebhafter Anwendung im Altertum: Von Privatexperimenten mit Belladonna-Extrakten oder gar dem Verzehr der Beeren ist strengstens abzuraten.

Inhaltsstoffe und Giftwirkung

Für die Giftwirkung der Tollkirsche sind sogenannte Tropan-Alkaloide verantwortlich. Die spielen zwar auch in der Medizin eine bedeutende Rolle, von einem Privatgebrauch fernab rezeptpflichtiger Arznei, die unter ärztlicher Betreuung eingenommen wird, ist jedoch tunlichst Abstand zu nehmen. Insgesamt lassen sich die Tropan-Alkaloide von Atropa wie folgt aufschlüsseln:

  • Apoatropin
  • Atropin (Hycoscyamin)
  • Belladonnin
  • Scopoletin
  • Scopolamin

 

Zwischen Heilung und Vergiftung

Als Hauptalkaloid der Pflanze gilt Atropin, das gemeinsam mit Scopolamin ausschlaggebend für tödliche Vergitungen ist. Die Konzentration ist in den Wurzeln, Blättern, Früchten und Samen gleichermaßen hoch.

Nun wird in verschiedenen Studien auch eine antibakterielle und antioxidative Wirkung von Atropa belladonna erwähnt.1Elmira Danaie, Shiva Masoudi, Nasrin Masnabadi: Chemical Composition Analysis of Atropa belladonna Grown in Iran and Evaluation of Antibacterial Properties of Extract-loaded Nanofibers; in: Iranian Journal of pharmaceutical Research, Volume 22, Issue 1, 2023; PMID: 38148889 PubMed Central Eine iranische Studie nennt hier Flavonoide, Terpene und verschiedene Pflanzensäuren wie Gallsäure, Oleinsäure, Stearinsäure und Vaccensäure als mögliche Wirkstoffe, die zu der medizinischen Wirkung beitragen.

 

Symptome einer Belladonna-Vergiftung

Die Herstellung etwaiger Arzneimittel aus Atropa bella-donna erfordert eine höchstkomplexe Extraktion, um schwerwiegende Vergiftungserscheinungen zu vermeiden. Laut einer weiteren iranischen Studie der Mazandaran University of Medical Sciences ist eine Vergiftung durch Belladonna vor allem für das Nervensystem höchst gefährlich.2Seyed Javad Boskabadi, Sima Ramezaninejad, Zakaria Zakariaei: Severe Neurotoxicity due to Atropa belladonna Poisoning: A Case Report and Literature Review; Case Reports in neurological Medicine, 2024; PMID: 39364183 Wiley Online Library

Mögliche Vergiftungssymptome umfassen laut Studie Hitzegefühl, Pupillenerweiterung (Mydriasis), Herzrasen (Tachykardie), Bewegungs- und Koordinationsstörungen (Ataxie), Unruhe, Delirium und Harnretention. Ebenfalls denkbar sind Sehstörungen, Fieber und, im schlimmsten Fall Koma, Atem- und Herzstillstand.

Je nach Dosis der Nervengifte verlauft die Intoxikation in verschiedenen Stadien, wobei niedrige Dosen zwischen 0,5 und 1 mg zunächst Mundtrockenheit verursacht. 1 bis 3 mg des Giftes sorgen für Pupillenerweiterung. Schwerere Symptome kündigen sich dann ab einer Dosis von 3 bis 5 mg an.

Ungeachtet des Vergiftungsstadiums ist bei Verdacht auf eine Belladonna-Vergiftung unverzüglich ein Notarzt zu rufen. Besser noch ist es, wenn man sich mit dem Giftnotruf in Verbindung setzt, um schnelle Hilfe zu erhalten.

 

Belladonna pflanzen und pflegen

Wer sich die Tollkirsche als schöne Giftpflanze nach Hause holen möchte, sollte ihr einen gesicherten Standort geben, der vor dem Zugriff durch Kinder und Haustiere geschützt ist. Bei Arbeiten an der Pflanze sind stets Schutzhandschuhe zu tragen.

Davon abgesehen ist Atropa eine pflegeleichte Zierstaude, die am besten in halbschattigen bis schattigen Standorten gedeiht. Beim Anpflanzen sollte man auf einen nährstoffreichen, leicht kalkhaltigen und frisch-feuchten Boden setzen, der gut durchlässig ist und einen neutralen pH-Wert zwischen 6,5 und 7,5 Punkten aufweist.

Die Aussaat erfolgt im Frühjahr, wobei die Samen am besten nach einer Kälteperiode (Stratifizierung) keimen. Auch die Anpflanzung von vorgezogenen Jungpflanzen im späten Frühjahr ist möglich, sobald keine Frostgefahr mehr besteht.

Ein finaler Pflanzabstand von 50 bis 100 cm ist für die bis zu 2 m hohe Riesenstaude empfehlenswert. Eine manuelle Bewässerung ist dann im Zuge der Pflege nur bei anhaltender Trockenheit notwendig. Vermeiden Sie dabei aber Staunässe.

Vermehren lässt sich die Tollkirsche entweder durch Aussaat gesammelter Samen oder durch Wurzelteilung. Ein Winterschutz ist für die frostresistente Pflanze in der Regel nicht notwendig.

Studienbelege:

  • 1
    Elmira Danaie, Shiva Masoudi, Nasrin Masnabadi: Chemical Composition Analysis of Atropa belladonna Grown in Iran and Evaluation of Antibacterial Properties of Extract-loaded Nanofibers; in: Iranian Journal of pharmaceutical Research, Volume 22, Issue 1, 2023; PMID: 38148889 PubMed Central
  • 2
    Seyed Javad Boskabadi, Sima Ramezaninejad, Zakaria Zakariaei: Severe Neurotoxicity due to Atropa belladonna Poisoning: A Case Report and Literature Review; Case Reports in neurological Medicine, 2024; PMID: 39364183 Wiley Online Library

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