Die Farbe Violett wird gemeinhin als Farbe der Magie verstanden. Als Mischfarbe aus feurigem Rot und mystischem Blau setzt sie in der Natur immer wieder ganz besondere Akzente. In der Lüneburger Heide dominiert sie ganze Landschaften.
Kilometer weite Heideflächen tauchen die Region im Sommer in ein Meer aus violetten Blüten. Dabei ist die Heidelandschaft heute eigentlich nur noch ein Fragment eines Landschaftsbilds, das früher einmal den gesamten Norden Deutschlands charakterisierte.
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ToggleDas Herz der Heide
In den sieben Jahren, die ich in Schottland lebte, hat es mir die Heidelandschaft der Highlands stets besonders angetan. Der rosa-violette Teppich aus Heidekraut erweckt eine einzigartige Faszination für die rauen, unberührten Naturlandschaften des Nordens.
Er zieht sich wie ein magisches Band vom schottischen Hochland und dem nordenglischen Mittelgebirge über die Küstengebiete der Niederlande und Dänemarks bis nach Norddeutschland. Ein florales Geschichtsdokument, das von einer Landschaft erzählt, die durch raue Meereswinde, Ufersand und Küstensonne geformt wurde.
Wer die See liebt, muss die Heide lieben. Denn obwohl sie mit ihrer bunten, friedlich und still anmutenden Blütenpracht im klaren Kontrast zum tosenden Wellentreiben der Nordsee steht, ist sie doch das Resultat eben jener Meereswogen und ihrer Gezeiten.
Nur die widerspenstigsten Gewächse können sich auf dem unwirtlichen Grund der Nordseeküste behaupten. Nur die robustesten Pflanzen bestehen auf dem Geest. Und nur die anpassungsfähigsten Gehölze treiben hier allen Widrigkeiten zum Trotz solch malerische Blüten wie das Heidekraut.
Naturschutzgebiet Lüneburger Heide
Das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide ist ein gut 23.436 ha großer Naturschutzpark in Niedersachsen. Es erstreckt sich zwischen den Landkreisen Heidekreis und Harburg und wird im Süden von Soltau, im Westen von Schneverdingen, im Norden von Handeloh und im Osten von Bispingen begrenzt.
Daneben gibt es nördlich und südlich der Lüneburger Heide noch die Nordheide und Südheide zu erkunden. Alle drei Gebiete sind berühmt für ihre ausgedehnte Heidelandschaft, die insbesondere während der Heideblüte von Juli bis September zahlreiche Naturliebhaber anzieht.
Mit ihrer Lage an der Küste Norddeutschlands gilt das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide als eines der bedeutendsten Naturschutzgebiete zwischen Nordsee und Ostsee. Dabei beeindruckt die Heidelandschaft mit einem Landschaftsbild, das man so nur im westlichen Grenzland von Mittel- zu Nordeuropa findet: der Geest.
In der Lüneburger Heide besteht diese zu gut 26 Prozent aus Heidelandschaft. Damit besitzt die Region eine der größten, zusammenhängenden Heideflächen Europas. Ein wilder Heidegarten der besonderen Art, wobei es von diesem rund um die Lüneburger Heide auch so manche durch Menschenhand geschaffene Varianten zu begutachten gibt.
Innerhalb des Naturschutzgebietes Lüneburger Heide gibt es zudem eine Vielzahl seltener Arten zu beobachten. Das sowohl mit Blick auf die Flora, als auch die Fauna. So leben in der Heide zum Beispiel größere Bestände des Birkhuhns. Über die Jahre wurden außerdem des Öfteren Wölfe gesichtet
Ebenfalls bedeutsam ist die Heidelandschaft für den Bienenschutz. Denn mit ihren üppigen und nektarreichen Blütenständen fungieren die Heideflächen quasi als natürliche Bienenweide. Den daraus gewonnenen Heideblütenhonig, ebenso wie Heideblüten Sirup, Heideblüten Gelee und Heideblüten Tee gibt es rund um die Lüneburger Heide in diversen Geschäften oder aber an den Heideständen entlang der Wanderrouten zu kaufen.
Von Geest und Gezeiten
Die Lüneburger Heide ist Teil der sogenannten Geestlandschaft – eine besondere Landschaftsform, die man so nur an der Nordseeküste findet. Ihre Entstehungsgeschichte reicht gut 11.500 bis 2,5 Millionen Jahre bis ins Pleistozän zurück.
Damals kam es im Raum des heutigen Norddeutschlands während dem Ende der Eiszeit zu einem Rückzug der Gletscher. Im Zuge der darauf folgenden Erosion hob sich nicht nur die norddeutsche Landmasse. Ebenso kam es vermehrt zu Kies- und Sandablagerungen.
Man kann diese geologischen Prozesse der Vorzeit noch heute in der Lüneburger Heide beobachten. Typisch ist hier die sogenannte Sandheide. Sowohl die Heide selbst als auch ihre Wanderpfade bestehen häufig aus solch fein gemahlenem Sand, dass sie schon fast an einen Nordseestrand erinnern.
Ursprünglich bedeutete das niederdeutsche Wort gest so viel wie „trocken“ oder „unfruchtbar“. Tatsächlich sind die Böden der Geestlandschaft auch sehr karg, was dem hohen Sand- und Kiesanteil geschuldet ist.
Was aber nicht bedeutet, dass sich die Heidelandschaft nur auf kargen Böden durchsetzt. Ebenso gibt es im Einzugsgebiet der Lüneburger Heide weitläufige Moore, in denen man ebenfalls größere Heidekrautbestände antreffen kann.
Unterschied zwischen Heidelandschaft und Marsch
Wenngleich es sowohl in der Heidelandschaft als auch in der Marsch Moorelemente gibt und beide Landschaftsformen gleichermaßen als charakteristisch für Norddeutschland gelten, ist die Heide als Geestlandschaft doch deutlich älter.
Grundsätzlich entstanden norddeutsche Marschlandschaften wie etwa das Eppendorfer Moor als Schwemmland etwas später und ist eine Folge der Nacheiszeit. Ebenso liegt sie als direktes Küstengebiet im Gegensatz zum Geestrücken auf Meereshöhe und somit tiefer.
Das salzige Meerwasser durchfließt die Marsch an mehreren Stellen, weshalb sie durch größere Moor- und Sumpfgebiete sowie durch Salzwiesen gekennzeichnet ist. Hier gedeihen insbesondere salztolerante Süßgräser und Sauergräser wie Schwingel und Binsen.
Die Unterschiede zwischen der Heidelandschaft und der Marsch sind nicht nur geologischer, sondern auch kultureller Natur. Beispielsweise wurde die Geest deutlich früher besiedelt. Zu den bekanntesten Heidevölkern gehören dabei die Angeln, Sachsen, Friesen und Slawen.
Allerdings siedelten gerade die Friesen bevorzugt in den Marschen, da der Kulturboden hier deutlich fruchtbarer war. In der Geest erlaubten die kargen Böden dagegen nur eine eingeschränkte Nutzpflanzenkultur, wobei vor allem Kartoffeln häufig angebaut wurden.
Die Unterschiede in der Bodenfruchtbarkeit gingen kulturell sogar so weit, dass Siedler aus Marschdörfern für gewöhnlich keine Heirat mit Bewohnern aus Geestrandsiedlungen wie der Heidesiedlung oder dem Eschdorf eingingen, da diese kein fruchtbares Land mit in die Ehe brachten.
Flora der Lüneburger Heide
Charakterpflanze der Lüneburger Heide ist selbstverständlich das Heidekraut. Es fühlt sich auf dem sandig-kiesigen Boden unwahrscheinlich wohl und bildet in der Heide großflächige Gesellschaften, die durch eine Beweidung mit Heidschnucken offen gehalten werden.
Nun gedeihen in der Heidelandschaft aber noch zahlreiche andere Kräuter, die mitunter neckische gelbe Akzente in die ansonsten von violetten Heidekrautblüten geprägte Landschaft zaubern. Zu nennen wären hier insbesondere Johanniskraut, Kreuzkraut, Pippau, Rainfarn, Goldrute und Königskerze.
Darüber hinaus ist Heidekraut auch nicht die einzige, rosa- bis blauviolette Pflanze auf der Heide. Da wären zum Beispiel verschiedene Distelarten, Wicken und Spiersträucher. Sogar Kornblumen, Kartoffelrosen und wilde Malven sprießen hier und da vor sich hin.
Unter den Großgehölzen dominieren vor allem Kiefern, Buchen, Eichen und Birken. Sie formen in der Lüneburger Heide mehr oder weniger große Waldareale oder wachsen direkt auf der Heidefläche.
Die Flora der Heide
© Das Grüne Archiv
Wanderungen in der Lüneburger Heide
Die beste Zeit für Wanderungen in der Lüneburger Heide ist der August. Hier erreicht das Heidekraut den Höhepunkt seiner Blütezeit und taucht das Naturschutzgebiet in ein malerisches Kleid aus rosa und violetten Farbtönen.
Erfreulicherweise sind weite Teile der Heide relativ flach, was für angenehme Wanderrouten sorgt. Als Wanderpfade zu empfehlen sind diesbezüglich die sogenannten Heideschleifen. Sie verlaufen rund um die wichtigsten Heideflächen, wobei neben Wander- und Radtouren auch Kutschfahrten möglich sind.
Ein besonderer Tipp sind die Heideareale nordöstlich von Schneverdingen, die oft als das Blütenzentrum der Region gelten. Schöne Heideschleifen führen hier zum Beispiel entlang des Pietzmoors, der Osterheide sowie Nieder- und Oberhaverbeck.
Die Heideschleifen sind zwischen 4 und 10 km lang, wobei die Pietzmoor-Heideschleife eine der etwas kürzeren ist. Das Moor lässt sich dank soliden Plankenpfaden leicht innerhalb einer Stunde passieren.
Deutlich länger ist man auf den Heideschleifen Niederhaverbeck, Oberhaverbeck und Osterheide und Osterheide unterwegs. Hier sollte man je nach Lauftempo mindestens zwei bis drei Stunden einplanen.
Wichtig: Es ist im Sommer ratsam, früh morgens auf Wanderungen in die Lüneburger Heide aufzubrechen. Mittags kann die Sonne insbesondere auf den offenen Sandheiden sehr stark sein. Sonnenbrillen, Sonnenschutz und Kopfbedeckung gegen intensive Sonneneinstrahlung werden empfohlen.
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2 thoughts on “Naturtagebuch: Lüneburger Heide”
Sehr schön für mich, Botanisches und Geologisches über diese Landschaft zu erfahren, die ich sonst immer nur von einem sprachlichen und literarischen Gesichtspunkt betrachtet habe, und zwar aus der Ferne. Einmal allerdings radelte ich von Celle nach Bargfeld… anno 1988… ich war 27…
Es ist eine rundum beeindruckende und faszinierende Naturlandschaft. Vor allem, wenn man bedenkt, dass einmal weite Teile Norddeutschlands im Sommer von diesem rosa-violetten Saum aus Heideblüten bedeckt waren. Man kann nur erahnen, welche Faszination und Demut unsere Vorfahren bei dem Anblick dieses Naturspektakels empfunden haben müssen. Mutter Natur als größte Zauberin und Künstlerin von allen verstanden zu haben, scheint da nur allzu nachvollziehbar.