Ob als Festdekoration in Weihnachtskränzen, Glücksbringer für den weihnachtlichen Haussegen oder romantisches Liebesorakel, unter dem sich Pärchen zum Fest küssen dürfen – der Mistelzweig gehört in zahlreichen Kulturkreisen zu Weihnachten einfach mit dazu. Daneben ist die Mistel (Viscum) aber auch als Heilpflanze von besonderer Bedeutung, soll sie als eine der wenigen Kräuter doch selbst gegen Krebs etwas ausrichten können.
So förderlich die Mistel aber für die menschliche Gesundheit sein kann, so schädlich ist sie für ihre Wirtspflanzen. Denn es handelt sich bei Misteln um Halbschmarotzer, die bevorzugt auf Laubbäumen, gelegentlich auch auf Nadelbäumen siedeln.
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ToggleMistel als Heilpflanze
Die Mistel ist eine immergrüne Pflanze, deren Arten in der Regel verholzen. Nur wenige Misteln gedeihen als krautige Pflanzen oder Sukkulenten, wobei es sich hier in der Regel um tropische Mistelarten handelt.
In Europa wachsen Misteln hingegen maßgeblich als Strauchgehölz auf ihren Wirtspflanzen. Eine übergeordnete Rolle in der Heilkunde spielt diesbezüglich die Weißbeerige Mistel (Viscum album). Ihre immergrünen Blätter, ebenso wie die namensgebenden weißen Beeren, die ihre Fruchtreife im Winter erreichen, machen die Mistelart neben der Stechpalme und Tanne zur wohl beliebtesten Pflanzendekoration während der Weihnachtszeit.
Gleichwohl ist die Weißbeerige Mistel schon seit der Antike als Heilpflanze bekannt. Bereits Plinius beschreibt in seiner Naturalis historia eine „Eichen-Mistel“, die von den gallischen Druiden zu rituellen und heilpflanzlichen Zwecken aus Eichenbäumen geerntet wurde. Dass es sich hierbei um Viscum album gehandelt hat, daran besteht kein Zweifel, war sie doch die einzige Mistelart, die seinerzeit in Gallien wuchs.
Wissenswertes: Auch im hohen Norden ist die Mistel legendäres Gehölz. Der Trickser-Gott Loki soll mit ihrer Hilfe den Asengott Balder getötet haben. Im nordischen Aberglauben ist sie daher als alte Zauberpflanze bekannt, deren Gunst vor dem Tode bewahren kann. Den Germanen und Kelten gelten Mistelzweige wiederum als Fruchtbarkeitssymbol, was den Weihnachtsbrauch des Küssens unter einem Mistelzweig erklärt.
Mistel – Wirkung und Anwendungsgebiete
Bereits aus antiken Quellen ist die Anwendung der Weißbeerigen Mistel gegen Geschwüre, Nervenlähmungen und neurologische Erkrankungen wie Epilepsie bekannt. Hippokrates verwendete Ilex album zudem gegen Milzsucht, wobei unklar ist, ob es sich in seinen Aufzeichnungen um die heute als Hypochondrie bekannte seelische Erkrankung oder eine tatsächliche Milzerkrankung handelt.
Hildegard von Bingen empfahl im Mittelalter des Weiteren gemahlene Birnbaummistel und Süßholz zu gleichen Teilen gegen Lungenschmerzen. Eine Salbe aus Birnbaummistel, Hirschtalg, Olivenöl und Speichenähre sollte laut Hildegard weiterhin gegen Gicht und Lähmungen helfen.
Bei der von Hildegard beschriebenen Mistelart dürfte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um die Laubholz-Mistel (Viscum album L. subsp. album) gehandelt haben. Eine Unterart der Weißbeerigen Mistel, die primär auf Laubbäumen und hier bevorzugt auf Kernobstbäumen wie dem Apfelbaum oder Birnbaum siedelt.
Auch heute noch ist es vorrangig die Weißbeerige Mistel, die medizinische Anwendung erfährt. Bekannt ist vor allem der Einsatz von Mistelpräparaten in der Krebsbehandlung, weisen die Inhaltsstoffe der Mistel doch zytotoxische Eigenschaften auf, die das Tumorwachstum hemmen sollen. Aus der Volksheilkunde ist des Weiteren Misteltee als Hausmittel gegen Bluthochdruck bekannt.
Inhaltsstoffe der Mistel
Die traditionelle Nutzung der Weißbeerigen Mistel erfolgte bis ins 19. Jahrhundert sehr umfangreich. Dies trotz der Tatsache, dass die Blätter der Mistel eigentlich als schwach giftig, die Beeren sogar als stark giftig gelten. Zu den Inhaltsstoffen der Pflanze gehören nämlich sogenannte Viscotoxine. Sie wirken nicht nur zytotoxisch, sondern können bei Überdosierung auch Vergiftungserscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe und blutigen Durchfall verursachen.
Die Mistellektine, welche mit Blick auf die Misteltherapie bei Krebs ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, zählen wie Viscotoxine zu den schwachen Giftstoffen in der Mistel. Sie sollen jedoch die Nebenwirkungen einer medizinischen Krebstherapie abschwächen können, indem sie die Selbstheilungsmechanismen des Körpers anregen.
Zu den deutlich harmloseren Inhaltsstoffen der Mistel zählen dagegen Flavonoide, Triterpene, Thiole, Oligo- und Polysaccharide. Während Flavonoide und Thiole eine gute antioxidative und somit stoffwechsel-, herz- und gefäßstärkende Wirkung besitzen, sind Oligo- und Polysaccharide für einen in der Strahlentherapie sehr nützlichen Strahlenschutz bekannt.
Den Triterpenen der Mistel wird wiederum eine wundheilende und hautschützende Wirkung nachgesagt. Zu diesem Zweck stellt man eine leimartige Salbe aus der Mistel her, deren wissenschaftlicher Name „Viscum“ bereits auf die klebrige, zähflüssige Konsistenz (Viskosität) ihrer Pflanzensekrete verweist.
Misteln als problematische Halbschmarotzer
Im Gegensatz zu ihrem wissenschaftlichen Namen nimmt der Volksname der Mistel Bezug auf die Art ihrer Vermehrung. Der Begriff leitet sich vom urgermanischen Wort mihst für „Kot“ oder „Mist“ ab. Im Detail ist es Vogelkot, der die Vermehrung der Pflanze gewährleistet. Denn die Beeren der Mistel sind für Vögel im Winter eine willkommene Nahrung. In den Beeren enthaltene Samen werden in Folge über den Vogelmist wieder ausgeschieden und gelangen so auf neue Wirtspflanzen.
Im Vergleich zu Vollschmarotzern, die in Sachen Nährstoffaufnahme vollständig auf ihren Wirt angewiesen sind, ist die Mistel als Halbschmarotzer zumindest dazu in der Lage, selbstständig Photosynthese zu betreiben. Sie kann demnach eigenständig Chlorophyll als primäre Energiequelle für ihr Pflanzenwachstum herstellen.
Nichtsdestotrotz entziehen auch Misteln ihrer Wirtspflanze zusätzliche Nährstoffe und Wasser. Insbesondere der Wasserraub sorgt dabei für eine schleichende Austrocknung besiedelter Äste. Diese werden daraufhin brüchig. Ebenso treibt die Mistel eine bis zu 50 cm lange Keilwurzel in ihren Wirt, wodurch die Integrität befallener Bäume und Sträucher massiv geschädigt und die Wirtpflanzen anfälliger für Pflanzenkrankheiten und weiteren Parasitenbefall werden.
Lieber ernten statt kultivieren
Im schlimmsten Fall sorgt ein ausgeprägter Mistelbewuchs für das vollständige Absterben der Wirtspflanze. Das stellt nicht nur für Waldbäume, sondern auch für Zierbäume wie Pappeln oder Eichen sowie Gartenbäume und hier insbesondere Obstbäume wie den Apfelbaum oder Birnbaum eine herbe Bedrohung dar. Von einer gezielten Kultur der Mistel ist daher ausdrücklich abzuraten.
Auch der Naturschutzbund NABU warnt vor der Gefährdung von Kulturbäumen durch Mistelbefall und empfiehlt stattdessen, befallenes Holz im Winter systematisch zu entfernen oder von dem Mistelwuchs zu befreien. Bei dieser Gelegenheit kann man dann auch gleich ein paar schöne Mistelexemplare zur Dekoration entnehmen.
Tipp: Wer geplagten Bäumen im Freiland etwas Gute tun möchte, kann hier auch im Rahmen eines Winterspaziergangs nach Mistelbefall Ausschau halten.
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