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Giftbeere, Nicandra physalodes, Blaue Physalis

Giftbeere (Blaue Physalis) – Bestimmung und Kultur

7 Minuten Lesezeit

Die Giftbeere (Nicandra physalodes) wird nicht umsonst auch Blaue Physalis genannt. Ihre Früchte ähneln jenen der Physalis nämlich auffallend. Tatsächlich sind beide Pflanzen auch eng miteinander verwandt.

Verwechseln sollte man die Nachtschattengewächse jedoch nicht, denn wie ihr Name schon sagt, ist die Giftbeere hochgiftig. Überaus nützlich kann sie aber dennoch sein.

Steckbrief zur Giftbeere

Leaf Divider

  • Wissenschaftlicher Name: Nicandra physalodes
  • Herkunft: Südamerika
  • Wuchshöhe: 50 bis 120 cm
  • Blütezeit: Juli bis Oktober
  • Blüten: blau-violette Glockenblüten mit weißer Mitte
  • Blätter: groß, oval-lanzettliche, gezähnte Blätter
  • Frucht: blasenförmige, von einer Kapsel umschlossene Beeren
  • Boden: nährstoffreich, gut durchlässig
  • Winterhärte: nicht winterhart
  • Verwendung: Zierpflanze, natürlicher Pflanzenschutz
  • Giftigkeit: sehr giftig

 

Besonderheiten der Nicandra physalodes

Nicandra physalodes gilt als einzige Art der monotypischen Gattung Nicandra. Je nach Autor werden manchmal aber noch zwei weitere Arten genannt, nämlich Nicandra john-tyleriana und Nicandra yacheriana.

Wie die echte Physalis gehört auch die Blaue Physalis zur Familie der Nachtschattengewächse. In Sachen Giftpflanzen befindet sie sich dort in bester Gesellschaft.

Die Pflanzenfamilie gilt nämlich als eine der giftigsten der Welt, zu der auch solch berühmte Giftkräuter wie der Nachtschatten, der Stechapfel, die Alraune und die Tollkirsche alias Belladonna gehören. Mit diesen hat die Giftbeere neben ihrer Giftigkeit noch manch andere Besonderheit gemeinsam.

 

Aussehen und Wuchs

Nicandra physalodes ist eine einjährige krautige Pflanze, die eine Wuchshöhe von etwa 50 bis 120 cm erreichen kann. Die Staude besitzt einen aufrechten, verzweigten Wuchs und ihre Stängel sind oft leicht behaart.

Die Blätter sind groß, oval-lanzettlich und fallen durch einen gezähnten Blattrand auf. Sie sind grün und breiten sich entlang des Stängels aus, was der Pflanze ein buschiges Aussehen verleiht.

Zu den auffälligsten Merkmalen der Giftbeere gehören ihre blau-violetten, glockenförmigen Blüten, die zur Mitte hin in ein leuchtendes Weiß übergehen. Diese Blüten erscheinen vom Sommer bis in den Herbst hinein und öffnen sich um die Mittagszeit, bevor sie sich am Nachmittag gegen 16 Uhr wieder schließen.

Nach der Blüte bildet die Pflanze ihre charakteristischen, blasenförmigen Kapseln aus, die eine kleine, grüne Beere umschließen. Die Fruchtkapseln sind nahezu identisch mit denen der Physalis, wobei ihre Frucht im Unterschied zu dieser aber reich an Toxinen ist. Eine sichere Unterscheidung ist daher zwingend notwendig.

 

Giftbeere, Nicandra physalis
Die Familienzugehörigkeit zu den Nachtschatten sieht man der Giftbeere ebenso an wie ihre Verwandtschaft zur Physalis | © Das Grüne Archiv

Herkunft

Wie die Physalis stammt auch die Nicandra physalodes ursprünglich aus Amerika, genauer gesagt, aus Südamerika. Ein wärmeliebendes Nachtschattengewächs also, das in gemäßigten Breitengraden oft nicht winterhart ist. Dennoch kann man die Giftbeere inzwischen auch in Europa vielerorts entdecken.

Das Prachtexemplar aus der Fotoserie zu diesem Beitrag wurde im Oktober 2024 an einem bayerischen Waldrand unweit einer Ackerfläche gesichtet. Zeitlich fiel die Sichtung in die Vorzeit von Halloween, was den Anblick der dunkelschönen Giftbeere zu einem magischen Erlebnis machte.

Weshalb es solch ein exotisches Gewächs nach Bayern verschlägt, dafür gibt es mehrere Erklärungsansätze. Einerseits wird die Blaue Physalis auch außerhalb von Lateinamerika gerne als Zierpflanze kultiviert.

Wenngleich sie sensibel auf Frost reagiert, sät sich die Giftbeere in milden Wintern doch selbstständig wieder aus und kommt dann im Folgejahr wieder. So kann es selbst in Europa gerade an geschützten Waldstandorten durchaus zur Verwilderung kommen.

Andererseits ist Nicandra physalodes auch von besonderem ökologischen Nutzen. Das nicht nur für Gemüsegärtner und Landwirte, sondern auch für die Stechmückenprävention.

 

Ein pflanzliches Insektizid

Die Giftbeere genießt den Ruf, äußerst effizient gegen Schädlingsbefall im Gemüsebeet zu sein. Insbesondere gegen Pflanzenläuse und hier insbesondere gegen Schildläuse wie die Mottenschildlaus hat sich Nicandra physalodes in der Vergangenheit bewährt.

Eine ideale Lösung für den umweltfreundlichen Gemüsegarten und auch die ökologische Landwirtschaft. Ein besonderer Tipp ist die Pflanze hierbei als natürliches Pflanzenschutzmittel im Kohlbeet. Man kann sie einfach zwischen einzelne Kohlpflanzen setzen und die Schädlinge auf diese Weise erfolgreich fernhalten.

Die Blaue Physalis kann aber noch mehr. Laut einer internationalen Studie aus dem Jahr 2016 zeigen Extrakte der Nicandra physalodes ausgezeichnete Wirkung gegen verschiedene Mosquitoarten, darunter gefürchtete Überträger der Malaria und des Zika-Virus wie Stephens Malariamücke (Anopheles stephensi), die Ägyptische Tigermücke (Aedes aegypti) und die Südliche Stechmücke (Culex quinquefasciatus).1Marimuthu Govindarajan, Hanem F Khater, Chellasamy Panneerselvam, Giovanni Benelli: One-pot fabrication of silver nanocrystals using Nicandra physalodes: A novel route for mosquito vector control with moderate toxicity on non-target water bugs; in: Research in Veterinary Science, Volume 107, 2016; PMID: 27473981 Science Direct

Auch verschiedene Wassermücken lassen sich mit dem Pflanzenextrakt beseitigen. Die zuständigen Forscher empfehlen Blaue Physalis daher als ökologischen Mückenschutz.

 

Giftbeere, Nicandra physalodes, Blaue Physalis
Nur als Zierpflanze und Zauberkraut pflanzen: Die Blaue Physalis mag medizinisch erforscht werden, sollte aber niemals zu Privatzwecken als Heilkraut zum Einsatz kommen. | © Das Grüne Archiv

Blaue Physalis als Zauberpflanze

Aufgrund ihrer unheimlichen Erscheinung spielt die Giftbeere in verschiedenen Kulturkreisen eine bedeutsame Rolle als Ritual- und Zauberpflanze. Aufgrund ihrer potenziellen Gefährlichkeit wurde sie im Aberglauben oft als Symbol für das Verborgene oder Unbekannte angesehen.

Es ist bekannt, dass sie früher in Ritualen verwendet wurde, um eine Verbindung zur Unterwelt oder zu den Geistern herzustellen, was auf ihre giftigen Eigenschaften zurückzuführen sein könnte.

Auch wird der Pflanze nachgesagt, dass sie durch ihre giftigen Eigenschaften eine Schutzfunktion für das Heim oder die Umgebung haben könnte. Diese Assoziationen rührt von der robusten und „abwehrenden“ Optik der Giftbeere her, die mit ihren dornig wirkenden Blättern und den schützenden, blasenförmigen Fruchtkapseln Schutz und Abwehr widerspiegelt.

In ländlichen Gegenden wurde sie deshalb bereits um das 18. Jahrhundert nicht nur als Pflanzenschutzmittel, sondern auch als magisches Schutzkraut gepflanzt, um das böse Auge abzuwehren oder unerwünschte Besucher fernzuhalten, da sie als „magische Barriere“ galt.

Speziell die Blasenkapseln der Giftbeere, nahmen oft eine spirituelle Doppelrolle ein: Sie konnten angeblich sowohl schützende als auch destruktive Kräfte anziehen, je nachdem, wie sie verwendet wurden. Da die Fruchtkapseln wie zierliche kleine Lampions aussehen, wurden sie gelegentlich als Talismane getragen.

 

Giftbeere, Nicandra physalodes, Blaue Physalis
Ein Nachtschatten-Talisman gegen böser Geister | © Das Grüne Archiv

Inhaltsstoffe und Giftwirkung

Das Gift der Giftbeere setzt sich aus verschiedenen Alkaloiden und Withanoliden zusammen. Als Haupttoxine gelten:

  • Hygrin
  • Nicandrenon
  • Nicaniod
  • Nicaphysalin
  • Salphichrolid
  • Solanin
  • Tropinon

 

Medizinische Anwendung

Insbesondere die toxische Wirkung von Withanoliden ist eine zweischneidige Sache. Immer wieder werden sie wegen ihrer zytotoxischen Eigeschaften als mögliche Wirkstoffquellen für neue Krebsmedikamente erforscht.2Daisuke Nakano, Kenji Ishitsuka, Yurie Deishi, Ryota Tsuchihashi, Junei Kinjo, Toshihiro Nohara, Masafumi Okawa: Withanolides from aerial parts of Nicandra physalodes; in: Phytochemistry, Volue 137, 2017; PMID: 28215420 Science Direct Das gilt auch für Nicandra physalodes.

Die Studienlage ist jedoch noch sehr dünn und fernab medizinischer Analysen sollte man mit der Giftbeere nicht herumexperimentieren.

 

Vergiftungserscheinungen

Zu einer Vergiftung durch die Giftbeere kommt es vor allem durch den Verzehr ihrer Früchte oder grünen Pflanzenteile. Sowohl bei Menschen als auch bei Tieren könne die in der Pflanze enthaltenen Toxine zu schweren Vergiftungserscheinungen führen

Zu den ersten Anzeichen einer Vergiftung gehören Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall. Ferner können speziell die Alkaloide von Nicandra physalodes das Nervensystem angreifen und zu Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindel, in schweren Fällen sogar zu Verwirrung, Halluzinationen und Krämpfen führen.

Ebenfalls gefährdet ist im Falle einer Intoxikation das Herz-Kreislauf-System. Denkbar sind Herzrhythmusstörungen, erhöhter Puls oder Blutdruckabfall, häufig in Kombination mit gehemmter Speichelproduktion (Mundtrockenheit).

Lassen Sie es im Falle derartiger Symptome nach dem Kontakt mit der Giftbeere nicht drauf ankommen. Verständigen Sie umgehend den Giftnotruf oder Notarzt, denn eine Vergiftung durch Nachtschattengewächse wie Nicandra physalodes endet nur allzu häufig tödlich.

 

Giftbeere pflanzen

Liebhaber dunkelschöner Zierpflanzen werden sich von der Giftigkeit der Blauen Physalis kaum abschrecken lassen. Wer die nötigen Sicherheitsvorkehrungen trifft, kann sie auch problemlos im Freiland oder Topf kultivieren. Hier die Anleitung:

Standort und Boden

Die Giftbeere gedeiht am besten an sonnigen bis halbschattigen Standorten. Sie bevorzugt nährstoffreiche, gut durchlässige Böden, die ausreichend Feuchtigkeit speichern können. Ein humoses, leicht lehmiges sowie frisch-feuchtes Substrat mit schwach sauren bis neutralen pH-Werten zwischen 6 und 7 ist ideal. Boden mit mäßiger Feuchtigkeit ist ideal.

Pflanzzeit und Aussaat

Die Aussaat der Giftbeere erfolgt im Frühjahr, sobald keine Frostgefahr mehr besteht, also zwischen April und Mai. Die Samen können Sie dann direkt ins Freiland säen, sobald die Bodentemperatur konstant über 10 °C liegen. Alternativ ist eine Vorzucht auf der Fensterbank oder im Gewächshaus ab März möglich.

Bedecken Sie das Saatgut nach der Ausbrinung leicht mit Erde und halten Sie es gleichmäßig feucht. Die Keimung erfolgt nach etwa 10 bis 14 Tagen bei Temperaturen um 20 °C. Ab einer Wuchshöhe von 5 bis 10 cm pikieren Sie dann die Jungpflanzen. Der finale Pflanzabstand sollte etwa 30 bis 40 cm betragen.

Pflege und Vermehrung

Die Pflege der Giftbeere gestaltet sich relativ unkompliziert. Die Pflanze benötigt lediglich eine gute Feuchtigkeitsversorgung, vor allem während trockener Perioden. Der Boden sollte stets leicht feucht, aber nicht durchnässt sein. Eine leichte Düngung im Frühjahr oder beim Pflanzen kann das Wachstum unterstützen.

Nicandra physalodes ist eine schnell wachsende Pflanze, die kaum zusätzliche Pflege benötigt. Es ist ratsam, regelmäßig zu überprüfen, ob die Pflanze ausreichend Platz zum Wachsen hat, da sie sich stark verzweigt. Entfernen Sie verblühte Blüten und Fruchtstände, um die Pflanze zu stärken und die Bildung neuer Blüten zu fördern.

Blaue Physalis vermehrt sich oft zuverlässig durch Selbstaussaat. Für die gezielte Vermehrung durch Aussaat kann man nach der Blüte die blasenförmigen Kapseln absammeln und die Samen daraus gewinnen. Arbeiten Sie hier aber unbedingt mt Schutzhandschuhen an der Giftpflanze.

Studienbelege:

  • 1
    Marimuthu Govindarajan, Hanem F Khater, Chellasamy Panneerselvam, Giovanni Benelli: One-pot fabrication of silver nanocrystals using Nicandra physalodes: A novel route for mosquito vector control with moderate toxicity on non-target water bugs; in: Research in Veterinary Science, Volume 107, 2016; PMID: 27473981 Science Direct
  • 2
    Daisuke Nakano, Kenji Ishitsuka, Yurie Deishi, Ryota Tsuchihashi, Junei Kinjo, Toshihiro Nohara, Masafumi Okawa: Withanolides from aerial parts of Nicandra physalodes; in: Phytochemistry, Volue 137, 2017; PMID: 28215420 Science Direct

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