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Sauergräser, Binse, Binsen, Flatter-Binse, Juncus, Juncus effesus

Familien der Pflanzenwelt: Sauergräser

7 Minuten Lesezeit

Eine einheitliche Definition der als Sauergräser bezeichneten Familie der Sauergrasgewächse (Cyperaceae) zu finden, bereitete schon so manchem Botanikexperten Kopfzerbrechen.

Das beginnt schon bei den zahlreichen Beinamen dieser Pflanzenfamilie, darunter Riedgräser und Riedgrasgewächse, und hört bei taxonomischen Ungereimtheiten auf.

Nicht nur, dass die Mitglieder dieser Pflanzenfamilie gerne mit anderen Gräserfamilien der Pflanzenwelt verwechselt werden, scheint auch ihre taxonomische Einteilung untereinander nicht immer ganz eindeutig zu sein. Die rund 109 Gattungen der Familie teilen sich dabei in nur 2 Unterfamilien auf:

  • Unterfamilie der Mapanioideae
    umfasst etwa 13 Gattungen der Cyperaceae
  • Unterfamilie der Cyperoiodeae
    enthält etwa 92 Gattungen der Cyperaceae

 

Hinzu kommen die rund 8 Gattungen der auch als Simsengewächse bekannten Binsengewächse (Juncaceae), die insbesondere im deutschen Sprachraum ebenfalls häufig zu den Sauergräsern gezählt werden.

Gleiches gilt für die nur zwei Arten umfassende Familie der Rohrkolbengewächse (Typhaceae) und die Familie der  Blumenbinsengewächse (Scheuchzeriaceae). Letztere stellt mit der Blumenbinse (Scheuchzeria) als einzige Gattung eine monotypische Pflanzenfamilie dar und wird wie der Rohrkolben gerne zu den Sauergräsern gezählt.

Rohrkolben, Typha, Breitblättriger Rohrkolben, Typha latifolia
Auch der Rohrkolben wird gemeinhin zu den Riedgräsern gezählt, obwohl er nicht per se zur Familie der Sauergräser gehört.

Besonderheiten der Sauergrasgewächse

Sauergrasgewächse gehören zur Ordnung der Süßgrasartigen und sind daher eng verwandt mit den Süßgräsern. Mit diesen werden sie auch nur allzu gerne verwechselt, wobei es aber signifikante Unterschiede zwischen beiden Pflanzenfamilien gibt. Das sowohl mit Blick auf den Wuchs, als auch auf die Standortvorlieben ihrer Mitglieder.

Unterschied zwischen Sauergräsern und Süßgräsern

Dass nicht alle Gräser gleich sind, zeigt sich beim Vergleich von Sauergras- und Süßgrasgewächsen recht schnell. Anders als Süßgräser, zu deren Mitgliedern unter anderem die Gesamtheit der Getreidesorten gehören, bilden Sauergräser beispielsweise keine hohlen, sondern markige Stängel aus.

Des Weiteren besitzen die Stängel der Sauergrasgewächse auch keine knotig verdickten Nodien, wie es bei den Süßgrasgewächsen der Fall ist. Ebenso können die Cyperaceae neben Ähren- und Rispenblüten auch kugelförmige Kopfblüten ausbilden, womit sie sich deutlich von den Süßgräsern unterscheiden.

Ein weiterer Unterschied liegt im bevorzugten Habitus der beiden Gräserfamilien. Während zahlreiche Süßgräser auch an äußerst trockenen Standorten gedeihen, kommen Sauergräser überwiegend in Feuchtgebieten, also Sümpfen, Mooren und an Küsten vor.

An entsprechenden Standorten bevorzugen viele Sauergrasgewächse außerdem einen sauren Boden, woher auch das „Sauer-“ in Sauergras rührt. Im Gegensatz dazu bezieht sich das „Süß-“ in Süßgras auf die kohlenhydrat- und somit zuckerreichen Körner der Süßgrasgewächse und hier insbesondere die der Getreidearten.

 

Sauergräser, Pietzmoor, Lüneburger Heide
Typischer Anblick: Sauergräser im Pietzmoor der Lüneburger Heide | © Das Grüne Archiv

Von Riedgras, Binsen und Simsen

Auch wenn die Familie der Sauergräser kein Getreide hervorbringt, so stellt sie doch einige wertvolle Nutzpflanzen. Beispielsweise sind Riedgräser wie der Rohrkolben kostbare pflanzliche Rohstoffe, die insbesondere im Nordseeraum zum Abdecken der berühmten Reetdächer Verwendung finden.

Darüber hinaus zeichnet sich Riedgras durch seine außergewöhnliche Fähigkeit aus, das Wasser zu reinigen. Die Pflanzen bilden oft dichte, besenähnliche Wurzelbärte aus, die Schmutz und Verunreinigungen aus Gewässern filtern. Eine Eigenschaft, die sich sogar Kläranlagen zunutze machen und Riedgräser zur Abwasserreinigung gezielt in Klärbecken ansiedeln.

Nun stellt speziell die echte Binse heutzutage zwar die Stammgattung einer eigenständigen Pflanzenfamilie, ganz so leicht von der Familie der Riedgräser bzw. Sauergräser trennen lassen sie sich aber dennoch nicht.

Da wäre zum Beispiel die Moorbinse, die nach wie vor zu den Sauergrasgewächsen gehört. Ähnlich sieht es mit der Kugelbinse, Quellbinse, Rasenbinse, Sumpfbinse und Teichbinse aus.

Überaus kontrovers ist zudem, dass ausgerechnet die Simse, die den Simsengewächsen ihren Namen verlieh, taxonomisch nicht zu diesen, sondern eben zu den Sauergräsern gehört.

 

Simse, Scirpus, Zypergras-Simse
Der Zypergras-Simse (Scirpus cyperinus) liest man ihre Zugehörigkeit zu den Cyperaceae sogar am Namen ab. | © Das Grüne Archiv

Die Lokalmatadore am Gewässerrand

Bedingt durch ihre Vorliebe für feuchte bis hin zu staunasse Standorte werden Sauergräser als Wasserpflanzen immer wieder gerne am Gartenteich gepflanzt. Hier kommt ihr horstiger Wuchs besonders gut zur Geltung, mit dem sie kahle Uferstellen am Teichrand kaschieren.

Auch im Sumpfbeet und an Fließgewässeern sind Sauergrasgewächse praktisch Pflicht. Einige Sauergräser vertragen sogar sehr salzige Böden, wie sie für Küstengebiete typisch sind.

Besagte Pflanzen haben eine einzigartige Anpassungsfähigkeit gegen hohe Salzkonzentrationen des Standortbodens entwickelt und wachsen teilweise sogar direkt an der Wassergrenze offener Meere. Zwei gute Beispiele für salztolerante Sauergrasgewächse sind:

  • Küstensegge (Carex maritima)
  • Rispige Binse (Juncus effusus)
  • Salz-Binse (Juncus gerardii)
  • Salz-Quecke (Elymus athericus)
  • Salz-Segge (Carex salina)
  • Salz-Teichbinse (Schoenoplectus tabernaemontani)
  • Strand-Segge (Carex paleacea)

 

Schlickgras, Spartina, Salz-Schlickgras, Spartina anglica
Vorsicht, Verwechslungsgefahr: Unter den salzliebenden Gräserbeständen am Wattenmeer wie hier an der Nordseeküste von Cuxhaven handelt es sich oft um das sogenannte Salz-Schlickgras (Spartina anglica), ein seltenes, an Salzwasser und salzige Böden angepasste Süßgrasart. Sie ist ein invasiver Neophyt aus England, der mitunter auch heimische Sauergrasbestände an der Küste verdrängt. | © Das Grüne Archiv

Sauergräser der Mapanioideae

Die Mapanioideae sind eine interessante Unterfamilie der Sauergräser, die sich durch einige besondere Merkmale auszeichnen. Ihre Gattungen kommen hauptsächlich in tropischen und subtropischen Regionen Afrikas, Asiens und Ozeaniens vor, oft in feuchten, schattigen Wäldern oder an Gewässerufern.

Eine der auffälligsten Eigenschaften der Mapanioideae ist ihre einzigartige Blütenstruktur. Im Gegensatz zu vielen anderen Sauergräsern, bei denen die Blütenstände oft in Ähren oder Rispen angeordnet sind, haben die Mapanioideae oft komplexere, spiralförmige oder schraubenartige Blütenstände. Diese komplexen Strukturen sind an die speziellen Bestäubungsmechanismen der jeweiligen Umwelt angepasst.

Ein weiteres markantes Merkmal der Mapanioideae ist die Reduktion der männlichen Blüten in einigen Gattungen, wodurch die Blütenstände oft von weiblichen Blüten dominiert werden. Auch die Fruchtbildung ist besonders, da die Früchte oft in spezielle Hüllen (Brakteolen) eingeschlossen sind, die ihre Verbreitung durch Wasser oder Tiere erleichtern.

Stammgattung der Mapanioideae ist Mapania, die etwa 84 Arten umfasst. Grundsätzlich sind die Gattungen dieser Unterfamilie oft artenreicher als es bei der prominenteren Schwester-Unterfamilie, den Cyperoideae der Fall ist.

 

Segge, Carex, Sauergräser
Noch ein berühmtes Sauergras: die Segge | © Das Grüne Archiv

Süßgräser der Cyperoideae

In der Unterfamilie der Cyperoideae findet sich die eigentliche Stammgattung der Cyperaceae wieder: das Zypergras alias Cyperus. Basierend auf dem Gattungsnamen müssten die Sauergrasgewächse also eigentlich Zypergrasgewächse heißen.

Die Unterfamilie ist die größere der beiden Hauptgruppen innerhalb der Sauergraßgewächse. Sie umfasst über 70 % der Arten in dieser Familie und ist weltweit in einer Vielzahl von Lebensräumen verbreitet, von feuchten Sümpfen und Mooren bis hin zu trockenen Graslandschaften und Küstenregionen.

Diese Vielfalt macht die Cyperoideae zu einem wesentlichen Bestandteil vieler Ökosysteme. Ein herausragendes Merkmal der Cyperoideae ist die Vielfalt ihrer Wuchsformen und Blütenstände. Die Pflanzen können niedrig und grasähnlich oder hoch und strauchartig sein.

Typisch für die Cyperoideae ist die dreikantige Stängelstruktur, die bei vielen Arten vorkommt, sowie die Anordnung der Blätter in dreizeiligen Wirteln. Die Blütenstände variieren stark, von einfachen Ähren bis zu komplexen, verzweigten Rispen, die aus vielen kleinen, unauffälligen Blüten bestehen.

Diese Blüten sind meist windbestäubt, was durch die reduzierten Blütenhüllblätter und die exponierten Staubblätter erleichtert wird.

Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal der Cyperoideae ist ihre Fähigkeit, sich an unterschiedliche Umweltbedingungen anzupassen. Einige Gattungen, wie die Segge oder das Wollgras, sind stark an feuchte, nährstoffarme Böden angepasst, während andere in trockenen oder sogar sandigen Böden gedeihen können.

Ökologisch gesehen spielen die Cyperoideae eine Schlüsselrolle in der Stabilisierung von Böden, der Wasserregulation und als Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Sie sind zudem von wirtschaftlicher Bedeutung, da einige Arten, wie Cyperus papyrus (Papyrus), historisch und kulturell bedeutend sind.

Zu der Unterfamilie gehört ein Großteil aller Binsen sowie die Simse. Auch einige bedeutsame Ziergräser Fallen in diese Gruppe der Süßgräser. Ein Überblick zu den wichtigsten Arten:

  • Fransenbinse (Fimbristyllis)
  • Kopfried (Schoenus)
  • Kugelbinse (Scirpoides)
  • Moorbinse (Isolepis)
  • Quellbinse (Blysmus)
  • Rasenbinse (Trichophorum)
  • Schnabelriede (Rhynchospora)
  • Schneide (Cladium)
  • Segge (Carex)
  • Simse (Scirpus)
  • Strandsimse (Bolboschoenus)
  • Sumpfbinse (Eleocharis)
  • Teichbinse (Schoenoplectus)
  • Wollgras (Eriophorum)
  • Zypergras (Cyperus)

FAQ – Häufige Fragen zu Sauergräsern

Worin unterscheiden sich Sauergräser von anderen Gräsern?

Sauergräser sind eine besondere Pflanzenfamilie, die sich von herkömmlichen Gräsern durch ihre dreikantigen Stängel und festeren Blätter abheben. Diese Pflanzen gedeihen vor allem in feuchten bis nassen Lebensräumen wie Mooren, Sumpfgebieten oder Uferzonen. Ihre Fähigkeit, in extremen Bedingungen zu wachsen, macht sie besonders widerstandsfähig.

Welche Standorte eignen sich für den Anbau von Sauergräsern?

Sauergräser bevorzugen feuchte bis nasse Böden und gedeihen optimal in Gebieten, die regelmäßig Wasser ausgesetzt sind, wie an Teichrändern, in Sumpfgärten oder Moorlandschaften. Wenn Sie Sauergräser im Garten anpflanzen möchten, wählen Sie einen Standort mit ausreichend Feuchtigkeit und einem leicht sauren bis neutralen Boden.

Wie pflege ich Sauergräser richtig im Garten?

Sauergräser benötigen nur wenig Pflege. Halten Sie den Boden stets feucht, um das Wachstum zu fördern. Bei Bedarf können Sie im Frühjahr einen leichten Rückschnitt vornehmen, um abgestorbene Blätter zu entfernen und neues Wachstum zu fördern. Düngung ist in der Regel nicht notwendig, da diese Pflanzen an nährstoffarme Bedingungen angepasst sind.

Sind Sauergräser auch für kleinere Gärten geeignet?

Ja, einige Arten von Sauergräsern eignen sich auch für kleinere Gärten oder sogar für die Bepflanzung in Töpfen. Besonders kompakte Sorten bieten eine interessante Struktur und können Teiche oder Wasserspiele optisch bereichern. Stellen Sie sicher, dass der Boden stets feucht bleibt, um den Bedürfnissen der Pflanzen gerecht zu werden.

Welche Rolle spielen Sauergräser in natürlichen Ökosystemen?

Sauergräser haben eine wichtige Funktion in vielen Ökosystemen. Sie bieten Lebensraum und Nahrung für zahlreiche Insekten, Vögel und andere Tiere. Zudem tragen sie zur Stabilisierung von Böden in Feuchtgebieten bei und helfen, Erosion zu verhindern. Ihre dichten Wurzelsysteme filtern das Wasser und tragen zur Reinigung von Gewässern bei.


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