Ein Englischer Garten begeistert sowohl im Großen, etwa als weitläufiger, herrschaftlicher Landschaftspark, als auch im Kleinen mit Varianten wie dem „Cottage Garden“. Beiden Gartenarten ist ihre verträumt romantische Grundstimmung mit klaren Strukturen, aber auch ihre ideale Natürlichkeit gemein. Denn wenngleich es in den herrschaftlichen Anlagen Englischer Gärten um das Zähmen, das Beherrschen der Natur geht, ist die ideale Landschaft doch stets das oberste Gestaltungsziel.
Inhaltsverzeichnis
ToggleDer Cottage Garten des englischen Landadels
Einen Englischen Garten im klassischen Sinne anzulegen, wäre schon aus Platzgründen ein nahezu unmögliches Vorhaben. Aus diesem Grund findet man die Urform dieser Gartenart heute fast ausschließlich auf Landsitzen des englischen und schottischen Adels wie oder aber in internationalen Botanischen Gärten und Landschaftsparks. Als beste Inspirationsquelle für private Gärten nach dem Konzept des Englischen Gartens dienen hier unter anderem:
- Kew-Gardens London, England
- Hampton Court Palace, England
- Hever Castle, England
- Longleat, England
- Glendurgan, Cornwall
- Traquair House, Schottland
- Chatelherault Hunting Lodge, Schottland
- Royal Botanic Gardens Edinburg, Schottland
- Englischer Garten München, Deutschland
- Fürst-Pückler-Park Bad Muskau, Deutschland
- Gartenreich Dessau-Wörlitz, Deutschland
Eine royale Gartenrevolution
Nun bildet die klassische Adelsschule des Englischen Gartens aber auch den Ausgangspunkt für den sogenannten Cottage Garten sowie Landhausgärten englischer Prägung. Das betrifft vor allem die Pflanzen- und Materialauswahl, die sich im englischen Cottage- und Landhausgarten kaum von der des royalen Englischen Gartens unterscheiden. Und auch die Philosophie der drei Gartenkonzepte ist dieselbe, denn es geht um eine tiefe Sehnsucht der Rückkehr zur Natur, die ihre Ursprünge im Zeitalter der Industrialisierung des 18. Jahrhunderts hat.
Die Landschaft als verträumten Rückzugsort zu gestalten, mit kunstvoller Staffage zu beleben und zu akzentuieren war damals in gewisser Weise eine kulturelle Gegenrevolution zur industriellen Revolution. Hohe Wallhecken als Sichtschutz und Grundstücksbegrenzungen, ebenso wie weitläufige Parkanlagen innerhalb der Adelsgärten symbolisierten das fein abgesteckte Lebensglück fernab der rasch wachsenden Fabriklandschaften innerhalb der Städte mit ihren qualmenden Schornsteinen und grauen Fassaden.
Damit wurde der Englische Landschaftsgarten zum klaren Gegenentwurf der damaligen Industrialisierung. Statt Künstlichkeit, Automatismus und industriellem Zwang versprach er Lockerheit, Natürlichkeit und Freiraum. Ein kleines Naturparadies, das jedoch lange Zeit nur dem Adel vorbehalten war.
Erst mit dem Cottage Garten als Miniaturausgabe des großen Englischen Gartens etablierte sich im 19. Jahrhundert die bürgerliche Variante des romantischen Rückzugsortes im Grünen nach royalem Vorbild. Er ist im Grunde die britische Variante des deutschen Bauerngartens, jedoch mit signifikanten Unterschieden in der Gewichtung und Ausdrucksform der Gartenelemente.
Englischer Garten ist ein Pflanzengarten
Der Rückzug in die Natur findet in englischen Landschaftsgärten vor allem durch hoch wachsende Hecken, Sträucher und Stauden Ausdruck. Das blühende Ensemble vor getrimmten Hecken und zentral gelegenen Beeten bestimmen dabei vor allem reichblühende Prachtstauden wie Ehrenpreis, Königskerze und Rittersporn, die schon vom Namen her auf den royalen Charakter des Gartenkonzeptes schließen lassen. Ergänzend sorgen elegante Zierpflanzen wie Lupinen, Stockrosen, Kosmeen, Mohnblumen oder Ziertabak und schmuckvolle Kräuter wie Lavendel oder Salbei für gehobenen Landcharme.
Nicht nur schön, sondern auch nützlich: Der Aspekt der Selbstversorgung spielt auf dem Land eine übergeordnete Rolle. So finden sich in englischen Landgärten immer auch kleine Ecken, in denen zum Beispiel Beerensträucher, schmuckvolles Gemüse wie zum Beispiel Kohlarten, Rhabarber oder Mangold und Küchenkräuter vorkommen.
Um die zierend wuchernde Botanik tatkräftig zu unterstützen bieten sich des weiteren Kletterpflanzen und Obstgehölze an. Letztere sollten dabei jedoch primär in einen Heckenwuchs überführt werden, der mitunter auch prunkvolle Heckenbögen und Pflanzenmauern formen darf. Grundsätzliche Empfehlungen zur charakteristischen Pflanzenwahl im Englischen Garten sind:
- Heckenpflanzen: Buchsbaum, Eibe, Lebensbaum
- Prachtstauden: Ehrenpreis, Eisenhut, Knautie, Königskerze, Lilie, Phlox, Rittersporn
- Zwiebelblumen: Dahlien, Gladiolen, Lauch
- Ziersträucher: Ginster, Hortensie, Flieder, Rhododendron, Rosen, Schneeball
- Kletterpflanzen: Blauregen, Clematis, Goldregen, Waldrebe
- Obstgehölze vornehmlich alte Apfelsorten in Heckenform
Zu Adel Verpflichtet: Die Englische Rose
Auch wenn es sich bei der Rose eigentlich um einen Zierstrauch handelt, so gilt sie doch als Königin der Blumen. Das auch insbesondere im Englischen Garten, wo sie historischen Kultstatus besitzt. Hier kommt sie in nahezu in allen Arten und Sorten, vorzugsweise aber in den Farben weiß und rot zum Einsatz.
Ob üppige begrünte Rosenpergolen, kunstvoll geschnittene Rosensolitäre, imposante Rosenbögen oder weitläufige Rosenhaine – das Spielen mit verschiedenen Pflanzkonzepten für Rosen ist im Englischen Garten nicht nur erlaubt, sondern explizit gewünscht. Ein ganz besonderes Element stellen die Königsblumen dabei als blühende Begrenzung und Rahmengebung in den sogenannten „Mixed Boarders“ – einer unnachahmlich attraktiven Form der natürlichen Beetanlage mit differenzierten Farbharmonien und immensem Formenreichtum.
Durch das Ineinanderwachsen verschiedenster Pflanzen in einem zugewiesenen Farbschema wird mit den Mixed Boarders eine ganz charakteristische Optik erreicht. Speziell das Verweben von Rosen nimmt hierbei Bezug auf ein zutiefst im britischen Adel verankertes Geschichtskapitel.
Bedeutung der Rose im Englischen Garten
Wer kennt nicht die Rosenanekdote aus Lewis Caroll’s viktorianischem Märchen Alice im Wunderland, in der die vormals weißen Rosen auf Befehl der Königin rot angemalt werden? Eine Referenz zu den legendären Rosenkriegen des 15. Jahrhunderts zwischen den rivalisierenden britischen Häusern York und Lancaster, die jeweils eine weiße und rote Rose im Wappen trugen.
Was die Blutsfehde umso tragischer machte, war die Tatsache, dass beide Häuser eigentlich verschiedene Zweige des Hauses Plantagenet bildeten. Der Name des Hauses leitet sich vom französischen Begriff plante geneste für „Ginsterpflanze“ ab und war der Beiname des Stammvaters der Plantagenet, Gottfried V. von Anjou. Er soll es sich seinerzeit zur Angewohnheit gemacht haben, einen Ginsterzweig als Helmzier zu tragen.
Beendet wurden die Rosenkriege im Jahre 1485, als das Oberhaupt des Hauses Lancaster, König Heinrich VII. die Ehe mit Prinzessin Elisabeth von York schloss. Heinrich begründete damit das Haus der Tudors, in dem York und Lancaster miteinander verschmolzen.
Die berühmte Tudor-Rose steht seither nicht nur für die Königsdynastie der Tudors und den Frieden beider Häuser. Darüber hinaus steht sie auch sinnbildlich für den royalen Stammbaum, der wie jede Pflanze, vielverzweigt ist und bei Zeiten gezügelt werden muss, um seine Pracht zu erhalten.
In Anlehnung an diese geschichtsträchtige Symbolik werden im Englischen Garten bis heute vornehmlich alte Rosensorten aus der Gruppe der Englischen Rosen gepflanzt. Das auch gerne umrahmt von Englischem Ginster in Hommage an den Stammvater der Plantagenet.
Pflanztipp: Die Tudor Rose selbst gibt es als Rosenart zwar nicht, jedoch existiert eine Tudor Primel, die der Wappenblume der Tudors zum Verwechseln ähnlich sieht. Genauer gesagt ist es eine Sorte der Aurikel mit Namen Primula auricula ‚Tudor Rose‘. Ein Englischer Garten kommt für diese Tudor-Primel wie gerufen.
Die Natur in vornehmen Grenzen halten
Das Geheimrezept nahezu aller Englischen Gärten ist ihre räumliche Ab- und Begrenzung, maßgeblich bestehend aus Hecken oder Ziegel- und Natursteinmauern. So entsteht der äußere Rahmen für die blühende Üppigkeit im Inneren des Landschaftsgartens.
Dabei bilden das obligatorische Landhaus alias Cottage und der herum befindliche Garten eine charakteristische Einheit aus Architektur, „grünem“ Bühnenbild und spürbarer Natürlichkeit. Zwar ist das Vorhandensein eines Landhauses im Englischen Garten heute nicht mehr zwingend erforderlich, im traditionellen Konzept bildet es jedoch nach wie vor das Zentrum der strukturellen Raumaufteilung.
Struktur mit Stil – Englischer Garten lebt von Symmetrie
Die Gestaltung des Englischen Gartens selbst fällt durch markante Architekturen prinzipiell ebenfalls leichter, denn die Form- und Materialwahl wird dadurch offensichtlicher und greifbarer. Hinzu kommt die vertikale Akzentuierung der Gartenfläche durch Spaliere, Pergolen oder ähnliches, die für Spannung und eine gewisse Undurchsichtigkeit sorgen.
Die versteckten und verschachtelten Gartenwinkel strahlen eine besondere Romantik aus. In diese romantische Atmosphäre zogen sich seiner Zeit viele Liebespaare zurück, um ungestört zu sein. Dabei gab es gar strenge Regeln für unvermählte Damen, die niemals im Alleingang mit einem jungen Herren in die Labyrinthe des Englischen Gartens abschweifen durften. Ansonsten wurde nämlich das Schlimmste angenommen. Eine Heirat der beiden Turteltäubchen war im Falle einer Entdeckung meist Pflicht, um die Ehre der Dame zu wahren.
Ihren Höhepunkt findet das botanische Versteckspiel dabei in den berühmten Gartenlabyrinthen des Englischen Gartens. Gemeinsam mit getrimmten Heckensäulen und Solitärhecken ist es der Inbegriff englischer Gartenkunst und kann zumindest als Vorlage für Beeteinfassungen im kleineren Cottage Garten nützlich sein.
Übrigens: Das Rahmenprinzip der hohen Heckeneinfassungen im englischen Landschaftsgarten ist auch für kleine Flächen von Vorteil. Da sie die räumliche Unterteilung im Garten erleichtern, lassen sich mühelos unterschiedlich ausgestattete „Gartenzimmer“ ausgestalten. Ein wichtiges Gestaltungsmittel insbesondere der Cottage Gärten.
Englischer Garten – Struktur und Materialien
Generell liegen Sie mit natürlichen und idealerweise regional vorkommenden Materialien bei der Anlage eines englisch inspirierten Landgartens genau richtig. Perfektion und Geradlinigkeit wirken der Natürlichkeit wiederum eher entgegen. Setzen Sie stattdessen lieber auf
- strukturelle Lücken,
- Verspieltheit und einen
- lebendigen Materialmix.
Neben der äußeren Begrenzung durch blickdichte Hecken ist die innere Einteilung des Gartens in „Räume“ besonders bedeutungsvoll.
- Wegeeinfassungen aus Ziegelsteinen oder auch Klinkern,
- Beetbegrenzungen mit Weidengeflecht oder Hölzern und
- ganz generell die Verwendung von Holz für Rankgerüste und Co.
sorgen für ein gleichsam abwechslungsreiches und harmonisches Bild, welches durch die ähnliche, da natürliche, Farbgebung entsteht.
Englischer Garten entsteht langsam über Zeit
Durch Witterungseinflüsse, dem so bedingten „Verfall“ und Zurückerobern der Natur von Gartenareal entsteht über einen längeren Zeitraum dann die einmalige Romantik der Cottage Gärten. Ein wenig Zeit ist also von Nöten, bis Natur und Architektur ineinander verwachsen und Patina für nachdrücklichen Charme sorgt.
Tipp: Wer im englischen Landschaftsgarten gleich von Beginn an einen gewissen Charakter und Patina möchte, verwendet am besten gebrauchte und aussortierte, unperfekte Materialien. Mixen Sie doch einfach verschiedene Materialien zu einheitlichen Flächen. Scheuen Sie dabei nicht die Nachfrage im Fachhandel nach Resten und Second-Hand-Ware.
Da die Übergänge im Garteninneren des Englischen Gartens fließend sind, beziehungsweise auf den ersten Blick so erscheinen, spielt das Übergreifen der Vegetation auf Gebautes (Wege, Gebäude, Plastiken) eine zentrale Rolle. Sie dürfen also gerne etwas „nachlässig“ bei der Pflege und Bereinigung sein.
Lassen Sie es wachsen und denken Sie ans Mobiliar
Ein Englischer Garten wirkt immer auch durch sein Mobiliar und seine gehobene, wenngleich dezente Dekoration. Wählen Sie Sitzgelegenheiten, Skulpturen und Plastiken (die Staffage) also stets passend zum Flair und Ambiente des Gartenkonzeptes. Auf diese Weise entsteht am Ende ein einheitliches Gesamtbild. Bleiben Sie auch entspannt was Verwitterungserscheinungen, Ausblühungen etc. betrifft. So gewährleisten Sie den Charakter und die natürliche Patina, die Cottage Gärten so einzigartig macht.
Die Pflege der Ziergehölze, Beete und Rosen sollte nicht durch Übereifer gekennzeichnet sein. Beschränken Sie sich stattdessen auf notwendige Arbeiten wie Rückschnitt und Auslichten. Denn in der maximalen Entspanntheit – bei klar ablesbaren Strukturen – liegt der romantische Zauber englischer Gärten begründet.
Ganz generell: Rahmen und Dimension des Gartens festlegen und dann ausfüllen und -schmücken. Fangen Sie zunächst mit einer überschaubaren Anzahl von Pflanzen an. In den kommenden Jahren steigern Sie diese dann sukzessive mit den ersten Erfahrungen im Umgang mit der „gezähmten Natürlichkeit“, die alle englischen Gärten prägt
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